Als Borussia Dortmund deutscher Meister wurde - Teil 1
2023 könnte es wieder passieren: Tabellenplatz eins nach 34 Spieltagen, Meisterfeier in Dortmund, Schwarz-Gelb auf dem Thron. Ein Spieltag vor Ende der Bundesliga-Saison 2022/23 (der 60. Bundesliga-Saison ihrer Geschichte im Herrenfußball) liegt unser BVB als Tabellenerster zwei Punkte vor den Bayern. Die bisher dargebotenen Leistungen bereiten Spielraum für erreichbar wirkende Träume.
Am 27.05.2023 könnte sich unser BVB nach 1995, 1996, 2002, 2011 und 2012 zum sechsten Mal seit Einführung der Bundesliga mit der Saison 1963/64 die Krone des deutschen Profi-Männerfußballs aufsetzen; in der vor der Bundesliga ausgerichteten „Deutschen Fußballmeisterschaft“ konnte der Titel in den Jahren 1956, 1957 und 1963 geholt werden.
Den Titelkampf der laufenden Saison 2022/23 möchten wir zum Anlass nehmen, auf vergangene Bundesliga-Meisterschaften des BVB zu blicken, in Erinnerungen zu schwelgen und an einen Teil der Geschichte unseres Vereins zu erinnern.
Der besseren Lesbarkeit wegen wird im Fließtext auf Quellen verzichtet. Stattdessen werden die Quellen am Ende des Beitrages gesammelt aufgelistet.
Der Weg des BVB zum ersten Titel: Überblick über die Saisonen 1963/64 bis 1993/94
Damals wie heute bestand die Bundesliga aus 18 Mannschaften, wobei nur die zwei letztgereihten Mannschaften aus der Bundesliga abstiegen und Platz 16 den Ligaverbleib innehatte. Die uns heute bekannte Relegation des 16. der Bundesliga gegen den Dritten der 2. Bundesliga wurde erst in den Jahren 1982-1991 sowie ab der Saison 2008/09 ausgespielt. Die Schwarz-Gelben waren Gründungsmitglied der Bundesliga.
In den Saisonen 1963/64 bis 1970/71 erreichte man die Plätze 4, 3, 2, 3, 14, 16, 5 und 13. 1966 wurde der Europapokal der Pokalsieger gewonnen. In der Saison 1971/72 belegte der BVB nur Platz 17 und stieg aus der Bundesliga ab. Es dauerte vier Saisonen, bis der BVB in der Saison 1975/76 als Tabellenzweiter der 2. Bundesliga und als Gewinner einer damals noch ausgetragenen Aufsstiegsrelegation den Wiederaufstieg schaffte (Mitaufsteiger und Meister wurde übrigens Tennis Borussia Berlin, das in den Folgejahren – unterbrochen durch einen direkten Ab- und Wiederaufstieg – seine bisher einzigen zwei Bundesliga-Saisonen spielen sollten)5. In der Aufsstiegssaison erfolgten beim BVB zwei Trainerentlassungen. Jener Trainer, der die letzten Saisonspiele coachte und den Aufstieg am Ende der Saison auf der Trainerbank begleitete, war ein gewisser Otto Rehhagel. Sein Vorgänger wurden im Übrigen deswegen gefeuert, weil er sich bereits mit dem 1. FC Nürnberg auf eine Zusammenarbeit zur darauffolgenden Saison geeinigt hatte; just mit jenem 1. FC Nürnberg, der Gegner des BVB in der Aufstiegsrelegation war.
1974 und somit während der Dortmunder Zweitklassikkeit wurde das Westfalenstadion eröffnet, welches anlässlich der WM 1974 in Deutschland errichtet wurde.
In den Saisonen 1976/77 bis 1993/1994 erspielte man die Platzierungen 8, 11, 12, 6, 7, 6, 7, 13, 14, 16, 4, 13, 7, 4, 10, 2, 4 und 4. Der soeben erwähnte 16. Platz resultierte aus der Saison 1985/86, wodurch der BVB im Kampf um den Verbleib in der Bundesliga in der Relegation gegen die SC Fortuna Köln bestehen musste. Nach einem 2:0 für die Fortuna im Hin- sowie einem 3:1 für den BVB im Rückspiel wurde damals noch ein (drittes) Entscheidungsspiel ausgetragen, das der BVB mit 8:0 für sich entscheiden konnte. Diesem Fast-Abstieg vorangegangen war eine Phase ständiger Trainerwechsel und wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den 80er-Jahren; in der letzten erfolgreichen Phase davor war übrigens ein gewisser Udo Lattek Trainer beim BVB (von 1979 bis 1981), der den Verein jedoch im Sommer 1981 in Richtung (FC) Barcelona verließ.
Der BVB erholte sich Ende der 80er-Jahre von den schwierigen Vorjahren und gewann mit Trainer Horst Köppel 1989 den DFB-Pokal mit 4:1 gegen Werder Bremen (Doppeltorschütze: Norbert Dickel). Die Zeit zwischen dem Relegationsspiel 1986 und dem Sommer 1994 war sportlich großteils erfolgreich, wenngleich der BVB in dieser Zeit nie Meister wurde. In diese Zeit fielen mehrere namhafte Spielertransfers: Andreas Möller, Michael Rummenige, Matthias Sammer, Stéphane Chapuisat, Stephan Reuter, Steffen Freund, Karl-Heinz Riedle. Zur Saison 1993/94 schaffte ein erst 17-jähriger Lars Ricken den Sprung von den BVB-Junioren zu den Profis. Die eher schwache Saison 1990/91 mit Platz zehn in der Bundesliga hatte einen Trainerwechsel zur Folge. Neuer Trainer: Ottmar Hitzfeld.
Die Saison 1994/95: Die erste Bundesliga-Meisterschaft und die „Mutter aller Schwalben“
Der ersten Meistersaison in der Bundesliga gingen sportlich schmerzvolle Ergebnisse voraus: 1993 verlor man das Finale des UEFA-Pokals mit insgesamt 1:6 gegen Juventus Turin, die Saison 1993/94 brachte trotz großer Investitionen nur Platz vier in der Bundesliga ein.
Die Bundesliga-Saison 1994/95 stand nun vor der Tür und hatte so manche Teilnehmer, die heute undenkbar wären und/oder von so manchen in der höchsten Liga sicherlich vermisst werden: Karlsruher SC, TSV 1860 München, Bayer 05 Uerdingen, MSV Duisburg, Dynamo Dresden. Das Ruhrgebiet war durch Borussia Dortmund, FC Schalke 04, Vfl Bochum und MSV Duisburg gar viermal vertreten. Einen Abschied gab es mit dieser Saison ebenfalls zu feiern: Es war die letzte Saison mit der Zwei-Punkte-Regel.
Trainer Ottmar Hitzfeld und Co-Trainer Michael Henke hatten in der Bundesliga-Saison 1994/95 folgenden Kader zu Verfügung:
Tor: Stefan Klos, Wolfgang „Teddy“ de Beer
Abwehr: Ned Zelic, Bodo Schmidt, Júlio César, Matthias Sammer, Stefan Reuter, Martin Kree, Marco Kurz, Günter Kutowski
Mittelfeld: Marc Arnold, Frank Riethmann, Knut Reinhardt, Steffen Freund, Michael Zorc (Kapitän), Andreas Möller, Lars Ricken, René Tretschok, Thomas Franck, Mallam Yahaya, Lars
Müller
Sturm: Flemming Povlsen, Stéphane Chapuisat, Karl-Heinz-Riedle, Ibrahim Tanko
Der BVB lieferte sich einen Meisterschaftskampf mit dem SV Werder Bremen, ab Spieltag vier belegten diese beiden ununterbrochen die Plätze eins oder zwei und wechselten sich dabei maximal untereinander ab. Auch Bremen hatte damals klindende Namen in seinen Reihen: Trainer Otto Rehhagel, Oliver Reck, Frank Rost, Thomas Schaaf, Dietmar Beiersdorfer, Andreas Herzog, Mario Basler, Marco Bode.
Der BVB startete mit drei Siegen in Folge gut in die Saison, darunter ein 4:0 zum Auftakt gegen 1860 und ein 6:1 gegen den 1. FC Köln. An Spieltag vier setzte es jedoch ein 1:4 gegen Eintracht Frankfurt, was Bremen die Möglichkeit bot, den BVB auf Platz zwei zu verdrängen und die Tabellenführung zu übernehmen. Bremen seinerseits spielte zwar zum Auftakt gegen Dynamo Dresden nur 1:1, konnte jedoch aus den nachfolgenden drei Spieltagen drei Siege herausholen.
Erst am achten Spieltag konnte der BVB wieder an Bremen vorbeiziehen. Während Ersterer nach einem 2:2 am 5. Spieltag gegen Bayer 04 Leverkusen dreimal siegte – unter anderem beim 3:2 gegen Schalke am achten Spieltag –, verloren die bis dahin ungeschlagenen Bremer (sechs Siege, ein Unentschieden) am achten Spieltag im Nordderby daheim mit 1:4 gegen den HSV und mussten die Dortmunder aufgrund der besseren Tordifferenz vorbeiziehen lassen.
Von Spieltag acht bis 28 verblieb der BVB auf dem ersten Tabellenplatz. Die Bilanz dieser Spieltage: elf Siege (u.a. 1:0 gegen Bayern, 2:0 gegen Bremen und Bochum, 1:0 gegen Duisburg), sechs Unentschieden, zwei Niederlagen.
Am 26. Spieltag ereignete sich im Spiel gegen den KSC eine Szene, die im Nachhinein als die „Mutter aller Schwalben“ betitelt wurde. Der KSC lag mit 1:0 in Führung. Der BVB spielte über die rechte Angriffsseite einen Angriff aus. Andreas Möller befand sich mit dem Ball auf Höhe der rechten Strafraumkante und passte von dort zu einem Teamkollegen im Strafraum, der Möller den Ball mit einer Berührung wieder in dessen Lauf zurückspielte. Möller war unterdessen in den Strafraum vorgedrungen und bekam den Ball wieder an den Fuß. In diesem Moment eilte Dirk Schuster vom KSC im Versuch, sich Möller in den Weg zu stellen, heran, kam jedoch zu spät, attackierte Möller schlussendlich nicht und lies ihn gewähren. Möller nahm die Aktion von Schuster zum Anlass für eine Schwalbe, ließ sich fallen und der Schiedsrichter gab Elfmeter. In Fernsehaufnahmen war deutlich zu sehen, dass Schuster Möller nicht getroffen hatte. Michael Zorc verwandelte diesen Elfmeter in der 75. Minute, Matthias Sammer stellte zehn Minuten später mit seinem Tor den Endstand von 2:1 her. Andreas Möller wurde für diese Schwalbe vom DFB für zwei Spiele gesperrt und bekam eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 Mark; er wurde damit zum ersten Spieler, der vom DFB für eine Schwalbe gesperrt wurde.
Am 29. Spieltag stand das Spitzenspiel gegen und in Bremen an, was Schwarz-Gelb jedoch mit 1:3 verlor und dadurch die Tabellenführung wieder abgeben musste. Nach darauffolgenden zwei Siegen und zwei Unentschieden lag der BVB nach dem vorletzten Spieltag einen Punkt hinter Bremen und hatte die um ein Tor schlechtere Tordifferenz (+33 im Vergleich zu +32). Während der BVB sich am letzten Spieltag gegen den HSV behaupten musste, wartete die ‚Mutter aller schweren Spiele‘ auf Bremen: auswärts gegen die Bayern. Borussia Dortmund führte nach 28 Minuten bereits mit 2:0 und konnte dieses Ergebnis bis zum Schlusspfiff halten. Bremen seinerseits hatte mit den Bayern zu kämpfen und konnte einen frühen Rückstand mit einem frühen Ausgleichstreffer in der 17. Minute egalisieren. Allerdings hatte Bremen keine Mittel mehr übrig gegen einen Doppelpack von Alexander Zickler.
Bremen verlor das Spiel gegen die Bayern mit 1:3 und Dortmund wurde mit einem Punkt Vorsprung erstmals Meister in der Bundesliga. Bei all den Freuden und Feierlichkeiten kann man sich durchaus die Frage stellen, ob der BVB auch ohne die Schwalbe von Andreas Möller Meister geworden wäre. Dem BVB und den Fans wird es egal gewesen sein, man thronte auf dem deutschen Profifußball.
Die übrigen Pokalwettbewerbe verliefen für den BVB wie Licht und Schatten. Im DFB-Pokal kam bereits in der zweiten Runde gegen den 1. FC Kaiserslautern das Aus. Im UEFA-Pokal verlor man erst im Halbfinale gegen Juventus Turin, das seinerseits das Finale gegen den AC Parma verlor. 1995 schaffte übrigens ein junger Torwart namens Gianluigi Buffon bei AC Parma den Sprung von den Junioren in den Profikader.
Die Saison 1995/96: Neuer Konkurrent, altes Ergebnis
Für die Absteiger Dynamo Dresden, MSV Duisburg und Vfl Bochum rückten die Aufsteiger FC St. Pauli, Fortuna Düsseldorf und Hansa Rostock nach. Bayer 05 Uerdingen wurde in KFC Uerdingen 05 umbenannt und war fortan kein Werksklub mehr. Mit der Saison 1995/96 wurde die Drei-Punkte-Regel eingeführt, die bis heute Bestand hat.
Im Vergleich zur Vorsaison ergaben sich im Kader des BVB ein paar Änderungen. Folgende Neuzugänge durfte der BVB empfangen:
Tor: Toni Schuhmacher
Abwehr: Jürgen Kohler, Jörg Heinrich (von Leihe zurückgekehrt), Carsten Wolters
Mittelfeld: Patrik Berger
Sturm: Ibrahim Tanko, Heiko Herrlich, Rubén Sosa
Diesen Neuzugängen standen die Abgänge von Ned Zelic, Marc Arnold und Flemming Povlsen gegenüber. Marco Kurz kehrte von einer Leihe zurück, wurde jedoch wieder abgegeben.
Größter Konkurrent um die Meisterschaft war nicht mehr Werder Bremen, sondern der FC Bayern München.
Der BVB startete mit drei sieglosen Spielen in Folge (zwei Unentschieden, eine Niederlage) in die Saison, fing sich in weiterer Folge, konnte die vier folgenden Spiele allesamt für sich entscheiden und mit Ende des siebten Spieltages bereits Platz zwei einnehmen. Am sechsten Spieltag gab es einen torreichen 6:3-Heimsieg gegen den Vfb Stuttgart, spieltags darauf einen packenden 4:3-Auswärtssieg gegen Eintracht Frankfurt. Bayern wiederum konnte die ersten sieben Spiele gewinnen und stand seit Spieltag zwei an der Tabellenspitze. Am achten Spieltag kam es zum direkten Duell zwischen dem BVB und dem FCB in Dortmund, das die Schwarz-Gelben mit 3:1 für sich entscheiden konnten. Der Abstand in der Tabelle war jedoch (noch) zu groß, um am FCB vorbeizuziehen.
Dies änderte sich jedoch am 12. Spieltag: Während Bayern nach einer weiteren Niederlage gegen BMG und zwei darauffolgenden Siegen gegen Eintracht Frankfurt mit 1:4 verlor, spielte der BVB einmal Unentschieden (gegen Bremen) bei drei Siegen und setzte sich dank der besseren Tordifferenz (+16 zu +10) an die Tabellenspitze.
Den ersten Tabellenplatz sollte Dortmund bis Saisonende nicht mehr abgeben, der FCB wurde die gesamte Saison hindurch auf Platz zwei verdrängt. Die Bilanz der Spieltage 13 bis 34 aus Sicht des BVB: elf Siege, acht unentschieden, zwei Niederlagen (FCB: 10/5/6). Selbst eine Niederlage im Rückspiel in München konnte den BVB nicht erschüttern.
Besonders brisant war Spieltag 33: Während der BVB beim Stadtrivalen des FCB, TSV 1860 München, antreten musste, bekam es der FCB auswärts wiederum mit Schalke zutun. Der BVB lag vor diesem Spieltag mit drei Punkten und einem um 16 Tore besseren Torverhältnis in Führung, sodass der FCB an diesem Spieltag gewinnen und auf einen Umfaller des BVB hoffen musste. Zum Leidwesen der eigenen Fans verspielte der BVB gegen 1860 eine 2:0-Führung und kam in München nur zu einem 2:2. Mit einem Sieg hätte der FCB auf einen Punkt an Dortmund ranrücken und so den Kampf um die Meisterschaft wieder spannend machen können.
Es kam jedoch anders. Zwar konnte Thomas Strunz in der 45. Minute ausgleichen, nachdem zuvor Olaf Thon in der 36. Minute zum 1:0 für Schalke traf. Als sich der Schlusspfiff so langsam näherte, traf Andreas Müller jedoch zum 2:1 für Schalke. Durch diese Niederlage und das Unentschieden vom BVB lagen die Dortmunder nach 33 Spieltagen mit vier Punkten Vorsprung auf Platz 1 und wurden Meister.
Der BVB konnte den Meistertitel erfolgreich verteidigen. Im DFB-Pokal lief es in dieser Saison ein wenig besser, kam doch erst im Viertelfinale gegen den KSC das Aus. In der Champions League schied man ebenfalls im Viertelfinale aus, hier gegen Ajax Amsterdam.
Eine Besonderheit lieferte der 1. FC Kaiserslautern in dieser Saison: In der Liga stiegen sie als Tabellensechzehnter in die 2. Bundesliga ab, doch konnten sie in dieser Saison den DFB-Pokal gewinnen, wodurch der FCK als Zweitligist am Europapokal der Pokalsieger teilnahm. Hier war allerdings bereits in der ersten Runde gegen Roter Stern Belgrad Schluss, dafür konnte der FCK den direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga feiern.
Die Saison 1996/97: Das Ruhrgebiet dominiert den europäischen Fußball
Durch den Gewinn der Meisterschaft hatte Dortmund ein Startrecht für die Champions League. Schalke hingegen wurde Dritter und qualifizierte sich für den UEFA-Pokal. Beide Mannschaften sollten bis zum Ende Teil dieser Wettbewerbe bleiben und den Titel jeweils nach Hause holen. Einen großartigen Beitrag auf dem YouTubekanal von OneFootball Deutschland zu dieser Saison findet ihr HIER.
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